Liederabend: „Seelenreisen“

Sonntag, 26. März 2023 18.00 Uhr


Frieder W. Anders, Bariton
Mariam Dikhaminjia, Klavier

Programm

Antonin Dvorak (1841-1904)

Drei biblische Lieder aus op 99

Rings um den Herrn sind Wolken und Dunkel (Psalm 97)
An den Wassern zu Babylon (Psalm 137)
Wende dich zu mir (Psalm 25)

Johannes Brahms (1833-1897)

Vier Ernste Gesänge op 121

Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh (Prediger Salomo)
Ich wandte mich, und sahe an (Prediger Salomo)
O Tod, wie bitter bist du (Jesus Sirach)
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen (Corintherbrief)

Pause

Ralph Vaughan Williams (1872-1958)

Songs of Travel

(R. L Stevenson)

The Vagabond/Let Beauty Awake/The Roadside Fire/Youth and Love/ In Dreams/The Infinite Shining Heavens/Whither Must I Wander/ Bright Is the Ring of Words/I Have Trod the Upward and the Downward Slope

Sonntag, 26.03.23, 18.00
Taiji Akademie
Homburger Landstr. 120 A
60435 Frankfurt

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u.A.w.g

Der Liederabend stellt drei Liederzyklen (bzw. eine Auswahl aus einem Zyklus) vor. Es sind „Seelenreisen“, wenn auch in unterschiedlicher spiritueller Ausrichtung:

Die Lieder von Dvorak und Brahms haben biblische Texte vertont. Bei Dvorak sind es Klagelieder und Bitten um „Erlösung von dem Übel“, das die menschliche Seele quält, bei Brahms Reflexionen über das menschliche Leben und Sterben, und über die Liebe. Bei beiden war der Anlass ihrer Entstehung Trauer und Schmerz über den Tod geliebter Menschen.

„Die Zeit, in der Brahms seine Vier ernsten Gesänge schrieb, war für ihn von Schmerz und Verlusten geprägt. Es waren die Jahre zwischen 1892 und 1896; Brahms hatte den Tod besonders vieler Menschen zu verkraften (…) Als Clara Schumann 1896 nach längerer Krankheit starb, waren die Lieder bereits fertig. Brahms äußerte: „Nicht gerade aus Anlass ihres Todes habe ich sie komponiert, aber die ganze Zeit her hatte ich eben wieder recht viel über den Tod nachgedacht, dessen ich ja oft und oft Gelegenheit habe zu gedenken.“ (https://www.swr.de/swr2/musik-klassik)

Bei Dvorak war es der Tod des Pianisten und Dirigenten Hans von Bülows, dem Dvorak seine 5. Sinfonie gewidmet hatte, und der Tod seines Vaters, die beide Dvorak 1894 zu diesem Zyklus inspirierten, der in den Vereinigten Staaten entstand.

Die zehn Biblischen Lieder op. 99 nach Psalmentexten aus der tschechischen Kralitzer Bibel bilden den Höhepunkt im umfangreichen Liedschaffen Antonín Dvoráks. Es sind menschliche Ansprachen an Gott. Bei Brahms sind es prophetische Worte, überwiegend dem Alten Testament entnommen, nur der Text des letzten Liedes von Brahms ist nachchristlich (aus Paulus Brief an die Korinther). Insofern sind die Lieder, aus dem gegenüber von Mensch und Gott empfangen, religiöse Gesänge.

Anders bei R.L. Stevenson (1850-1894), dem Autor der Schatzinsel. Er hinterließ bei seinem Tod 1894 auf Samoa im Südpazifik eine Sammlung von 44 Gedichten mit dem Titel Songs of Travel. Ralph Vaughan Williams vertonte neun dieser Reiselieder zwischen 1901 und 1904. Sie sind nicht religiös, weil ein persönlicher Gott nicht vorkommt. Stattdessen könnte man sie als „mystisch“ bezeichnen, weil RVW, wie er in England genannt wird, sich als Mystiker verstand, für den Musik eine „göttliche Stimme“ war; seine Mystik „findet sich in der der Musik, durch die er allein er die letzten Realitäten wahrnehmen konnte“ (Michael Kennedy). Er selbst sah sich als „fröhlichen Agnostiker“ in einer gewissen Distanz zur Religion. Agnostiker halten die Existenz einer höheren Macht wie Gott für möglich, aber nicht beweisbar.

Dieser Zyklus wurde auch mit Schuberts Zyklus Winterreise verglichen, der mit 24 Liedern aber mehr als doppelt so lang ist. In beiden geht es um die Themen Wandern, Trennung, Einsamkeit und Naturerleben, aber mit sehr verschiedenen Emotionen: Zorn, Verzweiflung und wütender Spott bei Schubert – Stolz, Melancholie, Zärtlichkeit, ja, auch Verschmitztheit bei RVW. Inhaltlich wird ein Verlauf von Liebe über Abschied zu Sterben angedeutet, jedoch ohne eine Geschichte zu erzählen. Zeigt die Winterreise die Reise eines Individuums in die Verzweiflung, so sind die Songs of Travel eher eine mystische „Seelenreise“ – Meditationen über Erlebtes.

Die Songs of Travel waren nicht von vorneherein als Zyklus komponiert, sondern erschienen als lose Sammlung in zwei aufeinander folgenden Heften. Erst später entschied sich RVW, sie unter Hinzunahme von Hinzunahme von Whither must I wander als Zyklus herauszugeben. Das Abschlusslied I have trod wurde erst nach dem Tod des Komponisten in dessen Nachlass entdeckt und vom Herausgeber hinzugefügt.

Frieder W. Anders